Gino Noli



Wüstendiamanten

 


Inhalt | Leseprobe | Kritiken | Buchhandlungen

Leseprobe

Elisabethbucht und Hans Hörlein

    Etwa 30 km südlich von Lüderitz liegt ein 3 km langer Strand, welcher im Osten in den Dünen und im Westen in eine felsige Landzunge ausläuft, die in Form eines gebogenen Daumens auf die 10 km südlich gelegene Guanoinsel „Possession“ zeigt. Hinter dem Strand befindet sich eine niedrige, von spärlichem Pflanzenwuchs stabilisierte Dünenkette am Rande einer rund 2 km² großen Salzpfanne, die nordöstlich in ein langes, flaches Tal übergeht, das Richtung Kolmanskuppe allmählich im Wüstenschimmer verschwindet. Allerdings ist diese so wildromantisch wirkende Bucht der vollen Macht der vom Südwesten einrollenden Stürme ausgesetzt und somit, aus der Sicht schutzsuchender Seefahrer, nutzlos.

    Um so ironischer ist es daher, dass in so einer gemiedenen Bucht, die noch Jahrhunderte nach Ihrer Entdeckung ungenutzt war, innerhalb 66 Jahren zweimal die modernste Diamantenanlage der Welt erbaut wurde. Denn auch hier, in der südlichsten Spitze ihres Schürfgebietes, entdeckte Stauchs Koloniale Bergbaugesellschaft Diamanten. Schon 1911 fing die KBG mit dem Abbau an. Doch es wollte anfangs nicht so richtig in Fahrt kommen, denn obwohl hier im Süden die Steine größer waren, (4-5 Diamanten pro Karat im Vergleich zu 6 pro Karat bei Kolmanskuppe) waren anderseits auch die zu bewältigenden Erzmaterialmengen so enorm und steinhaltig, dass nur ein Großbetrieb praktisch sein würde. Da aber zunächst sowohl das erforderliche Kapital als auch die erwünschte Technologie noch nicht vorhanden waren, musste man sich bis zum Ersten Weltkrieg mit Schürfungen und einem Versuchsabbau zufriedengeben.

    Nach 1920 hatte sich durch die Entstehung von CDM und die Zusammenfügung des deutschen Diamantbergwerkwesens durch Anglo American die finanzielle Lage der namibischen Diamantenindustrie gewaltig gestärkt. Und glücklicherweise hatte CDM in dem Diplomingenieur und Regierungsbauführer (summa cum laude) Hans Hörlein, dem früheren (1912-1920) Geschäftsführer und Betriebsdirektor der KBG in Kolmanskuppe, einen tüchtigen Mann geerbt. Sein Können und Bemühen würde die gesamte praktische Erfahrung der deutschen Diamantenindustrie zusammen mit den modernsten Entwicklungen der internationalen Bergbautechnologie wie ein Brennglas auf Elisabethbucht konzentrieren.

    Obwohl Hörlein schon vor dem Krieg an Plänen für eine große Zentralaufbereitungsanlage gearbeitet hatte, wurde erst 1923, nach dem Überwinden der Folgen der 1920-1921 Depression, das nötige Kapital gestellt. Darauf wurde Hörlein im Auftrag von CDM in die USA geschickt, um die dortigen Großförderbetriebe im Steinkohletagebau zu studieren. Dann endlich, im Februar 1924 konnte der erste Spatenstich in Elisabethbucht gemacht werden. Hörleins Einstellung zu dieser Aufgabe, die sein Lebenswerk werden sollte, ist in seinen eigenen Worten (Kolle 1933) am besten zu lesen:„Bisher habe ich nur Flickarbeit leisten müssen; jetzt endlich können wir aus einem Guss aufbauen.“

    In zweieinhalb Jahren wurde unter Hörleins Aufsicht die von ihm entworfene modernste Diamantenanlage der damaligen Zeit errichtet; und das inmitten der Wüstenstürme. Wie modern diese Anlage war wird deutlich, wenn man sie mit der verbesserten Zentralwäsche von 1930 vergleicht und feststellt, dass sie nicht nur das Fünffache an Rohsand verarbeitete, sondern auch pro verarbeiteter Tonne 12,6% weniger Strom als die „zusammengeflickte“ Zentralwäsche verbrauchte.

    Jedes Fass Zement und jedes Stück Eisen, welches im Errichten der Anlage benötigt wurde, kam erst per Schiff bis Lüderitz, von wo es 18 km mit der Staatsbahn nach Kolmanskuppe gebracht wurde. Hier wurde es dann auf die Schmalspurbahn der KBG umgeladen für den 1 km langen Transport zum Magazin oder die direkte 28 km Reise nach Elisabethbucht. Das Kolmanskuppe-Magazin und die Grubenbahn wurden derartig gut für die Bewältigung dieser erheblichen Zusatzlast vorbereitet, dass alle bestehenden Anlagen, inklusive Pomona und Bogenfels im Süden, während der ganzen Konstruktionszeit der Elisabethbucht-Anlage total ungehindert und planmäßig ihren Förderbetrieb weiterführen konnten. [...]